The Lannoys – 8700

8700 ist die Postleitzahl von St. Michael ob Leoben, St. Michael in der Obersteiermark, oder wie man jetzt sagt in der Hochsteiermark. Letztere Bezeichnung klingt für uns ungewöhnlich, aber sie passt zum Album, das wir aufgenommen haben. Wir wollen damit St. Michael hochleben lassen. Für uns ist diese Marktgemeinde eine wichtige Heimat, der Ort, wo wir vieles erleben durften, was uns nachhaltig geprägt hat. St. Michael, das war unbeschwerte Kindheit, aufregende Jugend, Hingabe an das Leben, an die Musik. Da konnten wir Grenzen überschreiten, Vielfalt erleben, Kräfte und Kreativität entfalten. Das war auch unser Anliegen, als wir mit der Arbeit an der neuen CD begonnen haben. Anders als zuvor haben wir dieses Mal Deutsch, oder besser unsere steirische Herkunftssprache zum Klingen gebracht. Musikalisch ist das Album von großer Vielfalt geprägt und schließt Musikstile wie Volkslied, Rap, Funk, Blues, Ballade, Rumba, Rock’n Roll, Folk und Chanson ein. Trotz dieser Vielfalt haben wir unsere eigene Note, unseren eigenen Sound, dem wir unserem Mitstreiter Mandy Oberle in besonderem Maße verdanken. Bei ihm haben wir wieder im Intermezzo-Studio in Bruck an der Mur aufgenommen, und er hat unsere Songs mit viel Erfahrung, großem Einsatz, meisterhaftem Können und einem unerschöpflichen Reichtum an Ideen veredelt. Bei den Aufnahmen hat Mandy die CD als „großes Ohrenkino“ bezeichnet. Er hat damit angesprochen, was wir mit unseren Songs erreichen möchten. Wir wollen unterhalten, überraschen, berühren, Geschichten erzählen, zum Nachdenken anregen. Wir wollen unsere Hörerinnen und Hörer in unsere Songwelten hineinziehen, wollen sie einladen, sich mit uns auf eine Reise zu begeben, die mit dem ersten Lied beginnt, zu vielfältigen Begegnungen und wiederholtem Verweilen einlädt.

Das erste Lied auf der CD trägt den Titel „A so a scheins Madl“ und erzählt vom ersten Schritt, der zwei Menschen zusammenbringt, die großes Gefallen aneinander gefunden haben. Auf das erste Kennenlernen folgt ein Liebeslied („Summatog“), das tiefe und ehrliche Liebesgefühle für einen anderen Menschen zum Ausdruck bringt. Nach einer Überdosis Gefühl braucht es ein wenig an comic relief, an humorvoller Entlastung. „Und wos sogst du jetzt dazua“ ist ein bluesig-rockiges Stück, wo wir verschiedenste Schimpfwörter aneinander gereiht und in eine Geschichte eingebunden haben. Danach wird es nachdenklich mit der Ballade „Die Sö“, wo das Leben als Fußballspiel und der Mensch als Lederball gedacht werden. Lederbälle hatten früher unter der Lederschicht einen aufblasbaren, orangen Gummiball, den wir als „Seele“ („Sö“) bezeichneten. Wenn die Ledernähte sich auflösten, dann hat sich „Die Sö“ gezeigt, der Ball ist nicht mehr rund gelaufen und das Ballinnere lief Gefahr, kaputt zu werden. Auf „Die Sö“ folgt „Regen in Triest“, eine stimmungsvolle Rumba, wo tiefe Sehnsucht und die Leichtigkeit des Südens sich miteinander textlich und klanglich verbinden.

„Im Fuhrhof“ ist Rock’n Roll und große Party. Der Fuhrhof war während unserer Jugendzeit der Veranstaltungsort in St. Michael. Dort haben wir mit den „Lucky Men“ in den 1970er Jahren unsere ersten Auftritte gespielt. Da wurde angebandelt auf Teufel komm raus, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, wie es der Text auch belegt. Mit „Heit is a scheina Tog“ versuchen wir uns in der neuen Volksmusik mit einem flotten und freudvollen Landler. Dann steigen wir in die Abgründe der steirischen Sprache. Als Jugendlicher hörte ich einmal, wie ein Mann einen anderen, der ihn um Hilfe gebeten hatte, mit „Schmeick’s Kroupfata, daunn wasst’s Beangata“ abgefertigt hatte. Die wenig schmeichelhafte Sprachwendung bedeutet in etwa „finde selbst etwas heraus, von mir kannst du keine Hilfe erwarten“. Diese Erinnerung war Ausgangspunkt zu einem funkigen Rap, der unserem Publikum hoffentlich ebenfalls so viel Spaß bereitet, wie uns bei der Arbeit am Song. „Nimmt der Anfang sein Lauf“ ist ein Folksong, eine eingehende Melodie mit einem Text, der nachdenklich stimmt. Ein Folksong kommt selten allein, weshalb wir ein irisches Volkslied („I’ll tell me Ma“) mit einem deutschen Text („Nikolaus“) versehen haben. „Nikolaus“ ist Nonsense, Spielen mit Sprache, Spaß und Überraschung, mit einem durchaus ernstgemeinten Unterton.

Jogging hat sich verändert. Im digitalen Zeitalter kann es schon passieren, dass Menschen nicht mehr mit- und gegeneinander laufen, sondern ein App ihnen einen Richtwert vorgibt, den es zu schlagen gilt. Davon handelt der „Sonntagslauf“, der auf eine wahre Begegnung Bezug nimmt. Danach ändert sich die Stimmungslage ganz drastisch. „Amoi is ollas vorbei“ ist ein Chanson und handelt vom Abschiednehmen, vom Tod und von der Frage nach dem Sinn des Lebens. Die CD endet mit dem „Gammlerblues“, den wir bereits auf unserer ersten CD („This is the Life“) veröffentlicht, für 8700 aber neu gemixt haben. Der Song ist in St. Michael vor 44 Jahren entstanden. Der Song kommt bei unseren Liveauftritten nach wie vor sehr gut an. Wann immer wir ihn spielen fühlen wir uns wieder als Boyband. Benjamin Butten lässt grüßen.

Werner Delanoy